Sonntag, 22. April 2007

Große Mauern und sommerliche Paläste


Für jeden Beijing-Touristen gibt es einige Plätze die man umbedingt gesehen haben muß. Einer dieser Plätze ist die große Mauer, schließlich liegt sie, gemessen an der Größe des Landes, nur einen Steinwurf von beijing entfernt. Also vorm Hotel den netten Angestellten gebeten einen Taxifahrer zu fragen, was er für einen Trip zur Großen Mauer mit einem Abstecher über den Summer Palace und wieder zurück zum Hotel kosten würde. Am Ende der kurzen Verhandlung kristallisiert sich ein Preis von 600RMB heraus. Von Bekannten habe ich erfahren, daß dies ein fairer Preis ist, also steige ich ein. Die Fahrt führt mich durch das blühende Zentrum Beijings, über einen Stadtteil, der mich an die Plattenbau-Siedlungen der DDR erinnern, und ücer dünn besiedelte Vororte in eine Landschaft, die ich, hätte ich es nicht besser gewußt, mit der Sierra Südspaniens hätte verwechseln können. Nach einer knappen Stunde Fahrt tauchen dann am Horizont die ersten Türme dieses Megabauwerks auf. Kurz darauf hält mein Taxifahrer auf einem großen Parkplatz. Beim Aussteigen drückt er mir einen Zettel voller chinesischer Schriftzeichen in die Hand und zeigt dabei auf sein Taxi. Auf dem Weg zum Ticket Office stelle ich fest, daß er mir seine Autonummer aufgeschrieben hat. Wie nett... 45 RMB später passiere ich den Zugang zu einem historischen Bauwerk. Doch irgendwie wirkt diese große Mauer so auf mich als wäre sie bestenfalls 5 Jahre und nicht über 1000 Jahre alt. Hm, vielleicht mußte man diesen Teil wegen der Autobahn eben neu bauen... Und in einer Hinsicht unterscheidet sich die die Große Mauer in China kein bißchen von einer x-beliebigen Touristenattraktion irgendwo in Europa: an jeder Ecke Getränke-Stände und Souvenir-Stände die um die Gunst des Touristen buhlen, der obligatorische Beijing2008-Olympia-Souvenir-Shop darf natürlich auch nicht fehlen genauso wie die zahlreichen Freßbuden. Hinzukommen die Heerscharen an Bustouristen, die aus allen Herren Länder über das Bauwerk herfallen wie die Heuschrecken über die Ernte. Wo bleibt der Respekt für die technische Meisterleistung, die vor über 1000 Jahren dieses Bauwerk entstehen ließ? Wo bleibt das Mitgefühl mit den Soldaten, die vor hunderten von Jahren hier ihren Dienst versahen? Als mir diese Fragen angesichts der Massen durch den Kopf gehen, beschließe ich, daß ein Ortswechsel dringend notwendig ist. Zurück zum Taxi und ab zum kaiserlichen Refugium im Sommer.
Der Sommerpalast ist ein heute Naherholungsgebiet für den moderen Pekinger. Das knapp 3 Quadratkilometer große Areal wird zu 75% von einem See in Beschlag genommen. Doch die restlichen 25% Landmasse bieten noch genug Flächen, um die sich die Füße platt zu laufen. und obwohl hier einige tausend Touristen unterwegs sein dürften, wirkt der Sommerpalast längst nicht so überlaufen, wie die große Mauer. Einen Einblick in chinesische Landschaftsgestaltung gewährt die Brücke der 17 Bögen. Egal von welcher Seite man zur Mitte zählt, sind es immer 9 Bögen. Und die 9 verkörpert den Kaiser. Die Brücke verbindet eine kleine Insel im See mit dem Ufer. Und auch hier spielt wieder die gesamtheitliche Betrachtung eine wichtige Rolle: betrachtet man nur die Uferseite fällt ein überdurchschnittlich großer Pavillion auf. Betrachtet man nur die Insel fällt einem ein großes Haus auf. Beide Gebäude werden durch die Brücke der 17 Bögen miteinander harmonisch verbunden und erscheinen nun als ausbalanciertes Gesamtbild. Zu schade, daß sich die franco-amerikanischen-englischen Truppen 1865 bei der Besetzung Pekings darauf verlegt haben große Teile des Sommerpalastes in Schutt und Asche zu legen (was wieder einmal beweist, daß die Amerikaner noch nie einen Krieg vernünftig führen konnten und immer alles nur kapuut gemacht haben). Vieles wurde zwar wieder aufgebaut, dennoch ist vieles auch unwiderbringlich zerstört worden. Ein wunderschöner Wiederaufbau ist z.B. mit dem Tempel des himmlischen Wohlgeruchs gelungen. Der Sage nach wird man 100 Jahre alt, wenn man die 100 Stufen bis zum Tempel erklimmt. Schon allein die Aussicht auf das gesamte Areal ist die Mühe wert, aber auch die wunderschön restaurierten und wiederaufgebauten Details des Tempels. Und über die vielarmige Dame im inneren des Tempels gibt es auch eine Sage: es waren einst drei Töchter des Kaisers. Der Kaiser wollte, das alle drei Töchter heiraten. Die beiden ältesten taten das auch, nur die jüngste wollte unbedingt eine Priesterin werden. Dem Kaiser gefiel das gar nicht, doch die Tochter ließ sich nicht beirren. So verstieß er sie vom Hofe. Viele Jahre später drohte der Kaiser zu sterben. Nur die Berührung einer seiner Töchter könne ihn noch retten. Doch die älteste Tochter war verstorben, der mittleren war die Reise zu strapaziös. Die jüngste schlich sich als Priester verkleidet bei Hof ein und legte ihre Hände dem im sterben liegenden Vater auf und verschwand wieder. Der darauf genesene Kaiser ließ daraufhin zu Ehren seiner jüngsten Tochter diesen Tempel bauen. China ist ja ein Land der Superlative und es ist es auch nachvollziehbar, daß es im Summer Palace auch noch einen Superlativ gibt: der im Bild unten zu sehende Wandelgang ist der längste Wandelgang der Welt...

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