Dienstag, 12. Dezember 2006

Zeitreisen

Mein Kollege in Jinshan hat sich ja schon desöftern über die fahrerischen Qualitäten seiner Chauffeure ausgelassen. Das Dumme daran ist, der Kerl hat recht. Die Jungs hier (keine Sorge, die Fahrerinnen sind auch nicht besser) sind reichlich schmerzbefreit, was Verkehrsregeln angeht. Der Blinker ist bestenfalls zu Unterhaltungszwecken im Einsatz, gebremst wird auch nur, wenn's wirklich sein muß und dann auch nur gerade so lange, daß es gerade noch so vorbei reicht. Ein genauer Blick auf die in teilweise abenteuerlichen Zustand befindliche Karosse sollte man geflissentlich verzichten. Genauso wie auf den Versuch, bei den Reifen irgendwie noch etwas Profil zu erkennen. Nicht, daß hier alle mit Slicks rumfahren, aber es gibt doch viele, die der Meinung sind, daß auch die Karkasselagen noch ausreichend Grip bieten. Hin und wieder hat man auch das Glück ein Taxi aus dem Verkehrsstrom herauszupicken, daß einen auf eine Zeitreise mitnimmt, als VW noch keine blaue Instrumentenbeleuchtung und jede Baureihe ihre Schalter anderswo plaziert hatte. So ging's mir heute morgen beispielsweise. Im kalten Regen fange ich mir einen, schon aufgrund der kantigen Erscheinung, doch etwas älternen Santana der ersten Generation des deutsch-chinesischen JointVentures. Der bordauxrote Lack tat sich schwer damit, die teilweise mehr als 2€-Stück großen Löcher zu verheimlichen. Glück gehabt, der Fahrer weiß auf Anhieb, wo sich mein gewünschtes Ziel befindet. Also schwungvoll in den Fond und Tür zu. Moment, die Türverkleidung kommt mir irgendwie vertraut vor... Als ich etwa 12 Jahre alt war, hatte VW diese schwarze Ledernachbildung für Armaturenträger und Türverkleidungen verwendet. Ach ja, die guten alten 80er Jahre... auch die Wippschalter mit ihren abgrundeten Ecken sind mir später nochmal in meinem Scirocco II begegnet. Oder die dezent grünliche Instrumentenbeleuchtung. Aber auch die Plexiglaskuppel, die die Fahrer für gewöhnlich von ihren Fahrgästen abschirmt, sah so aus, als wären die letzten 20 Jahre nicht ganz spurlos an ihr vorbeigegangen. Und als ich in der Tianzhou Rd. aussteigen wollte, war ich ganz schnell wieder in der Gegenwart: 1,50 Euro für eine Fahrt von knapp 5km in einem mobilen Museum...

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